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Weltspartag

Wie die deutschen Sparer sich selbst betrügen

Heute ist wieder Weltspartag. Wozu eigentlich? Sparen bringt nichts mehr. Schleichend verliert das Geld auf dem Sparbuch oder in der Lebensversicherung an Wert. Ohne es zu merken, zahlen die Sparer für die Schuldenkrise.
Manche meinen, das Sparen stecke in der DNA der Deutschen. Zumindest fängt man hierzulande ziemlich früh damit an. Für Generationen gehörte es zu den prägenden frühkindlichen Erlebnissen, einmal im Jahr mit dem prallgefüllten Sparschwein in einer Schalterhalle der örtlichen Sparkasse anzustehen, gemeinsam mit ungezählten weiteren angehenden Sparer. Die netten Bankbeamten nahmen sich des Sparschweins an, stellten als Gegenleistung für dessen Inhalt ein Sparbuch aus. Noch wichtiger aber waren die kleinen Werbegeschenke – Plüschtiere, Spielchen und zu guter Letzt: das Knax-Heft, der Comic mit Didi und Dodo für junge Sparer. Der Weltspartag war eine feste Institution.
Es gibt den Weltspartag seit 1924. Er war die Erfindung eines Italieners. Das mag den einen oder anderen wundern. Schließlich wird der Tag, an dem man den Gedanken des Sparens feiert, nirgendwo mit solcher Hingabe begangen wie in Deutschland. Die Deutschen legen regelmäßig gut zehn Prozent ihres Einkommens zurück. Genau genommen spart der Deutsche von verdienten 100 Euro immerhin 10,40 Euro. In den USA oder Großbritannien ist die Sparquote nur halb so hoch. Insgesamt sparen die Deutschen jährlich rund 180 Milliarden Euro. Wer in jungen Jahren etwas zurücklegt, muss im Alter nicht darben. Die Idee dahinter ist löblich. Und doch ist etwas faul im Staate der Sparer.
Ein Anlass zum Feiern ist der Weltspartag in diesem Jahr nun wirklich nicht. Das Sparen, das die Deutschen so verinnerlicht haben, es lohnt leider nicht mehr. Bei der Sparkasse Köln-Bonn wirft ein Sparbuch ganze 0,15 Prozent ab – ein Feigenblatt, damit der Schein gewahrt bleibt. Im Rest der Republik sieht es nicht viel besser aus. Auch mit dem Zinses-Zins-Effekt lässt sich da nicht mehr viel rausholen. Wahrscheinlich können die Sparer noch froh sein, dass sie nichts draufzahlen müssen.
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Wobei, wenn man genau hinschaut, dann zahlen Sparer längst drauf. Die liebsten Anlagen der Deutschen - das Sparbuch, Tages- und Festgeld oder die Lebensversicherung – werfen so wenig ab, dass die Anleger unter dem Strich Geld verlieren. Die Erträge halten nicht mehr mit der Inflation schritt, Experten sprechen von „negativen Realrenditen“. Übersetzt heißt das: Wer sein Geld sicher anlegen will, muss damit leben, dass er stetig an Kaufkraft verliert.

Was aus 1.000 Euro in zehn Jahren wurde

Deutscher Aktienindex (DAX)
Veränderung auf Sicht von zehn Jahren: +88,8 Prozent (ohne Dividenden)
Was aus 1.000 Euro geworden wäre: 1.888 Euro
Gold
Veränderung auf Sicht von zehn Jahren (in Euro): +314 Prozent
Was aus 1.000 Euro geworden wäre: 4.142 Euro
Sparbuch
Was aus 1.000 Euro geworden wäre: 1.095,90 Euro*
*bei einem durchschnittlichen jährlichen Zinssatz von 0,92 Prozent (Spareckzins)

Festgeld
Was aus 1.000 Euro geworden wäre: 1.266 Euro*
*bei einem durchschnittlichen jährlichen Zinssatz von 2,39 Prozent
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Nur: Vielen ist das gar nicht bewusst. Sie merken nichts davon, dass sie schon jetzt für die Schuldenkrise und die Rettung des Euros bezahlen, und damit ist nicht die Beteiligung Deutschlands an diversen Rettungspaketen gemeint. „Die Anleger lassen zu große Teile Ihres liquiden Vermögens zu einem niedrigen Realzins auf Tagesgeldkonten liegen oder flüchten in ebenso geringverzinste Bundesanleihen. Nach Steuern und Inflation bedeutet das reale Vermögensvernichtung“, warnt der Vermögensverwalter Stephan Albrech.

Das süße Gift der Inflation

Die Ursache für die Enteignung der Sparer liegt in der Geldpolitik der Notenbanken. Diese haben zur Bekämpfung der Krise eherne Grundsätze über Bord geworfen, so es sie denn gab. Statt sich auf die Stabilität des Geldwertes zu konzentrieren, gilt ihr Augenmerk der Stabilisierung des Finanzsystems. Je höher die Schulden desto mehr Geld setzen sie in die Welt. Wenn Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, sagt, er wolle den Euro um jeden Preis retten, dann heißt das: Er wird Geld drucken, um die verschuldeten Staaten zu finanzieren. Was er nicht sagt, ist, wer diesen Preis bezahlen soll. Die Währungshüter spielen mit dem Feuer, ihre Vorgehensweise erinnert an Red Adair. Der berühmteste Brandbekämpfer der Welt löschte einst brennende Ölquellen, indem er sie zur Explosion brachte.
Auch die Geldpolitik könnte einen großen Knall auslösen. Nach zahlreichen Zinssenkungen, Liquiditätsspritzen und Anleihekäufen zirkuliert weltweit so viel Kapital, dass die Inflationsrisiken zunehmen, noch nicht in den kommenden Monaten, aber langfristig.
Das trifft den Sparer gleich doppelt: Zum einen erhält er kaum noch Zinsen auf seine Ersparnisse, zum anderen schmälert die Inflation seine Kaufkraft. Diese Kombination wirkt fatal für jeden, der etwas Geld beiseite gelegt hat; es profitiert derjenige, der einen Berg von Schulden loswerden muss.
Für den Staat hat die „unverzinste Inflation“ eine verlockende Seite. Zum einen erhöht Inflation die nominalen Steuereinnahmen und reduziert den realen Wert der Staatsschulden. Zum anderen sorgt das niedrige Zinsniveau für geringe Refinanzierungskosten, was bei der Anschlussfinanzierung auslaufender Verbindlichkeiten nützlich ist.
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So viel sparen private Haushalte in Deutschland (in Milliarden Euro)
2000
123,20
2001
130,90
2002
139,30
2003
147,20
2004
151,40
2005
155,60
2006
160,90
2007
168,07
2008
183,54
2009
173,05
2010
180,81
2011
181,40
Quelle: Statistisches Bundesamt

Man kann auf dem Standpunkt stehen, all das sei ein notwendiges Übel, ein Kollateralschaden im Kampf gegen die Krise. Andererseits spricht einiges dafür, dass die Sparer nicht zufällig in die Schusslinie geraten. Die schleichende Umverteilung ist gewollt, weil die Alternative vermutlich noch schlimmer wäre. Der kalte Entzug von der Droge des billigen Geldes könnte einen Schock auslösen, Pleiten und Massenarbeitslosigkeit inklusive.
Einige internationale renommierte Ökonomen treten für höhere Inflation ein. Zu den Befürwortern gehören der frühere IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff sowie die Nobelpreisträger Greg Mankiw und Paul Krugman. Rogoff argumentiert, dass die westlichen Staaten die enorme Verschuldung durch die Finanzkrise nur schwer schultern könnten. Der einfachste Weg, um das Problem zu lösen, sei eine höhere Inflation.
„Wir müssen damit rechnen, dass die Bürger am Entschuldungsprozess beteiligt werden“, sagt Stefan Hofrichter, Chef-Volkswirt von Allianz Global Investors. „Entscheidende Voraussetzung ist, dass der Staat die Zinsen künstlich niedrig hält. Dann reicht ein etwas höheres Nominalwachstum, um die Schulden nach und nach abzubauen.“ Es werde allerdings eine Generation dauern, um den Staat auf diese Weise zu entschulden.

Weltschuldentag statt Weltspartag

Besonders heftig werden darunter diejenigen leiden, die noch gar nichts davon ahnen – die Kinder, die heute in der Sparkasse für ein Knax-Heft anstehen. Aber auch diejenigen, die schon erstes Geld gespart haben, werden es schwer haben. „Wer heute in den Ruhestand geht und sein ganzes Leben gespart hat, der hat das Glück, lange Zeit hohe Zinsen erwirtschaftet zu haben. Wer heute 25 Jahre alt ist und jetzt erst anfängt zu sparen, hat ein Problem“, erklärte Andrew Bosomworth, Deutschlandchef von Pimco, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Wenn es darum geht, das Geld der Bürger anzuzapfen, sind Staaten erfinderisch. Die Ökonomen sprechen von „Finanzieller Repression“. Dieser Begriff wurde in den 1970er-Jahren von Ronald McKinnon und Edward Shaw geprägt. Er beschreibt ein Bündel von Maßnahmen, mit denen der Staat in den Markt eingreift und seine Finanzierungskosten künstlich niedrig hält. Die Amerikaner sind auf diese Weise nach dem Zweiten Weltkrieg einen großen Teil ihrer Schulden losgeworden.
„Die Schuldenprobleme in der Euro-Zone, in den USA und in Japan lassen finanzrepressive Maßnahmen als verlockenden Ausweg erscheinen“, schreiben die Volkswirte der Berenberg Bank in einer Analyse. An aktuellen Beispielen mangele es nicht, erklären die Experten, und führen gleich mehrere an: Frankreich schließt einen Rentenfonds und überführt das Geld in einen staatlichen Sozialversicherungsfonds, der wiederum hauptsächlich in französische Staatsanleihen investiert. Großbritannien hebt die Mindestbestände an Staatsanleihen, die von Banken gehalten werden müssen, deutlich an. Irland wiederum zwingt einen staatlichen Pensionsreservefonds per Gesetz, für eine begrenzte Zeit irische Staatsanleihen aufzukaufen. Spanien führt Zinsdeckelungen für Bankguthaben ein und bevorteilt somit Staatsanleihen relativ zum Sparkonto. Japan und Portugal praktizieren die Verstaatlichungen von kapitalkräftigen Institutionen und Rentenprogrammen.
Umfrage: Wofür sparen Sie aktuell Geld?

Altersvorsorge
65 %
Konsum
56 %
Wohneigentum
51 %
Kapitalanlage
32 %
Notgroschen
6 %
Ausbildung der Kinder
5 %
Quelle: TNS Infratest, Verband der Privaten Bausparkassen,Sommer 2012, Mehrfachnennungen möglich

Wer meint, ihn gehe die Staatsverschuldung nichts an, könnte sein blaues Wunder erleben. Die Schulden des Staates sind die Schulden seiner Bürger. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen sind mit 2,025 Billionen Euro verschuldet. Verteilt man diese Summe auf die Bürger, lasten auf jedem Deutschen rein rechnerisch 25.000 Euro. Auf der anderen Seite steht laut Bundesbank ein Geldvermögen von 4,8 Billionen Euro. Das macht theoretisch 60.000 Euro pro Kopf, in der Realität ist das Geld allerdings alles andere als gleichmäßig verteilt.
Wer zu den sehr Vermögenden gehört, kann es sich leisten, einen Vermögensverwalter zu beauftragen, der das Geld in Sicherheit bringt. Der normale Sparer muss sich – wohl oder übel – etwas einfallen lassen. Statt allein auf niedrig verzinste Geldanlagen wie Sparbuch, Geldmarkt oder Festgeld zu setzen, ist es an der Zeit, höhere Risiken einzugehen, zum Beispiel mit Aktien dividendenstarker Konzerne. Allerdings sorgt der Staat auch hier dafür, dass ein Teil der Gewinne an ihn fließt – durch die Einführung der Abgeltungsteuer und die Senkung der Freibeträge. So wird ein Schlupfloch nach dem anderen geschlossen.
Der Weltspartag wäre ein guter Anlass, die Anleger aufzuklären. Ein Sparkassen-Mitarbeiter, der nicht mit Namen genannt werden will, sagt, er könne die aktuellen Konditionen kaum noch mit gutem Gewissen verkaufen. Im Gespräch mit den Kunden wird er davon wahrscheinlich nichts sagen. Dann könnte man den Weltspartag auch gleich in Weltschuldentag umbenennen.
Quelle:Handelsblatt
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